Bahnreisende, die aus Frankreich oder aus dem Süden Luxemburgs kommen, brauchen derzeit Nerven wie Drahtseile. Ab Bettemburg gibt es kein Weiterkommen mehr. Die Autobrücke über die Schienen in der Nähe des Bahnhofes wird erneuert. Der Bahnhof musste gesperrt werden und die Passagiere müssen auf den Bus umsatteln. Trotz des Einsatzes von 12 Busunternehmen und 200 Busfahrern die täglich 800 Fahrten absolvieren, herrschte in den ersten Tagen der Maßnahme das Chaos. Dabei wurde die Sperrung extra in den Sommerferien gemacht, sodass die Busfahrer, die normalerweise die Kinder zur Schule bringen, mit helfen können, Grenzgänger und Einwohner zu ihrem Arbeitsplatz zu bringen.

Und danach? Die Passagiere werden einen langen Atem haben müssen. Die CFL baut derzeit fieberhaft an einer neuen Bahnstrecke (zusätzlich zu der bestehenden) zwischen Bettemburg und Luxemburg. Sie soll den Bahnverkehr merklich verbessern. Bevor die sieben Kilometer lange Strecke 2027 in Betrieb genommen wird, soll es aber erst einmal noch vier Sperrungen geben. Zwei im nächsten Jahr und jeweils eine in 2026 und 2027. Über die Bahnstrecke sollen die Zügen die aus Frankreich nach Luxemburg Stadt fahren (inklusive TGV). Zügen die aus Esch kommen, fahren weiterhin auf der alten Strecke.

Welches Problem hat die Bahn in Luxemburg?

Das Luxemburger Bahnnetz krankt derzeit an seinem Erfolg. Über die letzten Jahre hat die Bahn versucht, mehr Kapazitäten auf die Gleise zu bringen – zum Beispiel durch die Einführung moderner Doppeldeckerzüge –, aber irgendwann, waren alle Möglichkeiten erschöpft. Die Infrastruktur setzt Grenzen für das Machbare. Hinzu kommt eine spezielle Eigenart des Luxemburger Bahnnetzes. Es ist sternförmig aufgebaut mit dem Hauptbahnhof Luxemburg-Stadt im Zentrum. All das führt dazu, dass ein Problem auf einer Linie sich sofort auf das gesamte Netz auswirkt – bis hin ins Ausland.

 

“Die neue Linie erlaubt es, den bestehenden Verkehr auf zwei Gleise zu verteilen und Spielraum nach oben zu haben”, erklärt Rui Raimundo, der zuständige Projektleiter von der CFL. “In Zukunft werden Probleme auf einer Linie nicht mehr zu so vielen Problemen führen. Das Netz wird robuster”, erklärt er.

Obwohl die neue Strecke nur sieben Kilometer lang ist, handelt es sich um ein wahres Megaprojekt. Zwanzig Unternehmen mit rund 800 Mitarbeitern sind an dem Projekt beteiligt. Hinter Bettemburg führt die neue Strecke zum Beispiel über einen sumpfigen Untergrund. Hier wurden nicht weniger als 3.000 Säulen aus Schotter in den Boden eingelassen, um den Grund stabiler zu machen.

Prominentestes Element der neuen Strecke ist die neue Brücke über die Autobahn A3. Seit Oktober 2022 fahren Autofahrer, die aus dem Süden des Landes kommen, darunter hindurch. Diese Brücke alleine schlägt mit 28,5 Millionen Euro ins Budget und ist die längste Eisenbahnbrücke ihrer Art (eine Bow-String-Brücke) in Europa. Gut sichtbar ist auch das neue Überwerfungsbauwerk (“Saut-de-mouton”) in Bettemburg. Kurz nachdem ein Zug den Bahnhof in Bettemburg verläst fährt er auf dem freien Feld unter einer Art Brücke hindurch. Hierbei kreuzt die neue Zuglinie (wenn sie in Betrieb ist) über die alte Strecke um auf die andere Seite zu kommen.

Weniger gut sichtbar, aber gleichsam bedeutend, sind andere Elemente der neuen Strecke. Auf Höhe der Autobahnraststätte Aire der Berchem hat die CFL eine neue Brücke gebaut. Sie ist schon in Betrieb. Darunter entsteht eine Struktur mit vier Weichen. Sie soll es den Zügen, die die neue Strecke befahren, erlauben – wenn es zum Beispiel ein Problem gibt – auf die “Gegenfahrbahn” zu wechseln. So sind die Züge noch einmal flexibler.

Am Bahnhof Howald treffen die beiden Zuglinien wieder aufeinander. Dort wird gerade fieberhaft der Bahnhof erweitert. Ein neuer Bahnsteig entsteht. Auch entstehen neue Aufzüge und Treppen. Über diese können Passagiere zum Beispiel zum Busbahnhof gelangen oder in die Straßenbahn wechseln. Ziel ist es, den Bahnhof während der Arbeiten am laufen zu halten.

Die bestehende Linie fährt weiter durch den Bahnhof während der neue Bahnsteig und die neuen Gleise entstehen. Danach wird die alte Linie auf die neuen Gleise umgeleitet um auch den alten Bahnsteig zu erneuern. “Es wäre einfacher gewesen, den Bahnhof zu schließen”, sagt David da Silva Pereira der für die Arbeiten am Bahnhof zuständig ist, “aber dann würden hier keine Züge mehr fahren können”.

Von Reisenden aus dem Süden und Pendler, aus Frankreich wird also noch viel abverlangt werden, bevor – hoffentlich – das Bahnfahren auch im Süden des Landes wieder Spaß macht.

 

⌛Von unserer Rubrik VERKEHR,
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