Die luxemburgische Familienministerin plant, den in Verträgen mit dem Staat gebundenen Pflegesektor (Behinderte, besondere Betreuung Jugendlicher) nach einem neuen System zu finanzieren.

Bisher hatte der Staat nach der Anzahl der Betten gezahlt. Jetzt soll sich der Tarif nach dem Grad der Autonomie der zu betreuenden Person richten: wer mehr als 3,5 Stunden pro Woche speziellen Betreuungsbedarf hat oder nicht. Außerdem sollen die Träger zu einer stärkeren Zielgruppenorientierung und Erstellung eines Betreuungsplanes angehalten werden.

Bei Kindern und Jugendlichen ist ein neues Gesetz vorgesehen, das unterscheidet drei Typen unterschiedlicher Betreuung pro Tag:
Accueil socio-éducatif 100 €, Accueil orthopédagogique 130 €, Accueil psychothérapeutique 180 €.
Die präzise Sortierung der Fälle soll durch ein neu zu schaffendes Office National de l’Enfance erfolgen.

Die Gewerkschaften haben bereits protestiert und demonstriert.
Einerseits fühlen sie sich schlichtweg übergangen bei der Ausarbeitung dieser Restrukturierungsmaßnahmen.
Andererseits steht das bislang dem öffentlichen Dienst angenäherte Beschäftigten-Statut auf dem Spiel, sobald den Trägern zwecks „Effizienzsteigerung“ mehr administrative Managementspielräume eingeräumt werden.

Anne Heniqui, L’effet domino. Le nouveau modèle de financement du secteur conventuionné proposé par la minstre de la Famille et de l’Integration risque de toucher les salariés là où ça fait mal, d’Land 8.7.2005, S. 8

Familienministerin bereitet den Qualitätsabbau vor, OGB-L aktuell Nr. 6 Juni 2005, S. 27

Déclaration de Solidarité du Département des Travailleurs handicapés avec le syndicat Santé, Services sociaux et éducatifs de l’OGBL

Billige Helferinnen aus den neuen EU-Mitgliedstaaten strömen über die offenen Grenzen und haben in der ambulanten Pflege einen grauen Markt entstehen lassen. So heißt es in einem Bericht des „arbeitnehmer“ von der Arbeitskammer des Saarlandes.
Auch im Saarland sind schätzungsweise mehrere hundert halb legale Pflegerinnen im Einsatz und treten damit mehr oder minder in Konkurrenz zu den professionellen Dienstleistern.

Osteuropäerinnen als Pflege- und Haushaltskräfte bei deutschen Familien

Diese Grauzone gereicht beiden Seiten zum Vorteil. Die Frauen erhalten in der Regel 850 € im Monat, hinzu kommen freie Kost und Logis – und 850 € bedeuten in der Heimat ein Mehrfaches an Kaufkraft.
Für Deutsche ist die Beschäftigung einer Litauerin oder Ungarin oft die einzige Möglichkeit für eine häusliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung der kränkelnden Eltern:
Mit den Zuschüssen der Pflegekassen lassen sich professionelle ambulante Dienste nicht bezahlen, und aus eigener Tasche können sich Durchschnittsverdiener diese enormen Aufwendungen ebenfalls nicht leisten. Die Verlegung älterer Menschen ins Heim würde viel Geld kosten, und die meisten Pflegebedürftigen bleiben auch lieber in den gewohnten vier Wänden.

In Deutschland sind 40.000 Pflegekräfte ohne Job

Das Übel an der Wurzel packen lässt sich aus Sicht von Werner Ballhausen (Geschäftsführer der in Berlin ansässigen Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege) am ehesten durch eine bessere finanzielle Ausstattung der Pflegekassen:
Nur höhere Leistungen für alte Menschen könnten deren Familien in die Lage versetzen, hiesige ambulante Dienste zu deren höheren Tarifen zu beschäftigen.
Seit über einem Jahrzehnt seien die Pflegesätze nicht einmal an die Inflation angepasst worden.

Wenn die polnische Perle die deutsche Oma pflegt, arbeitnehmer, Heft 4 – Juli 2005