Wer Luxemburg besucht, merkt schnell: Das kleine Land und seine Menschen sind vielfältig. Menschen aus aller Herren Ländern tummeln sich in den Bussen, Kaffees, Büros, Baustellen und Kultstätten des Landes. Rund 47 % der Bevölkerung hat nicht die Luxemburger Staatsbürgerschaft und die kaum jemand von den anderen kann behaupten, nur von Luxemburg Vorfahren abzustammen.

Seit einigen Jahren wird schon berichtet, dass Vielfalt nur wirtschaftliche Vorteile hat. Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen bringen unterschiedliche Ideen an den Tisch, und so kann etwas Großartiges entstehen. Aber was sagt die Wissenschaft wirklich dazu?

Dr. Andreas Sintos von der Uni Luxemburg wollte es genau wissen und hat sich durch die bestehende Forschung gewühlt. Er hat 83 unterschiedliche Studien angesehen und die Ergebnisse in einer Meta-Studie (eine Studie, die andere Studien untersucht) zusammengefasst und nachgerechnet. Dabei hat er herausgefunden: Ja, er gibt einen positiven Zusammenhang zwischen der Vielfalt (eng.: Diversity) eines Landes und dem Wirtschaftswachstum. Allerdings gibt es Nuancen. Denn mit “Vielfalt” können viele unterschiedliche Dinge gemeint sein.

Was zählt?

Untersucht wurden hier: die ethnische Zugehörigkeit, Sprache, Religion, genetischer Hintergrund, Geburtsort, andere Faktoren wie der kulturelle Hintergrund. Nicht alle davon stellten sich als im gleichen Maße relevant heraus. Sintos konnte herausarbeiten, dass die ethnische und sprachliche Vielfalt nur einen geringen positiven Einfluss auf die Wirtschaftsleistung haben, während die übrigen Formen der Vielfalt das Wirtschaftswachstum erheblich steigern. Vielfalt beim Geburtsort und die genetische Vielfalt haben dabei den größten Effekt.

“Dies deutet darauf hin, dass eine vielfältige Bevölkerung die Wirtschaftsleistung eines Landes durch eine Reihe von Mechanismen wie erhöhte Innovation, breitere Qualifikationen und verbesserte Handelsbeziehungen steigern kann”, so der Forscher aus Luxemburg gegenüber diegrenzgaenger.lu. Es sei allerdings schwer, das Resultat zu quantifizieren. Die 83 betrachteten Studien benutzen nicht alle die gleichen Methoden, was die Zusammenfassung der Ergebnisse erschwert hat und es nahezu unmöglich macht, einen Eurobetrag darauf anzuwenden.

Was bedeutet das für Luxemburg und die Menschen, die hier Leben und Arbeiten? “Die Analyse konzentriert sich nicht speziell auf Luxemburg“, stellt Sintos klar. “Mit anderen Worten, es handelt sich nicht um eine Fallstudie über Luxemburg. Dennoch könnten die Ergebnisse angesichts der sehr vielfältigen Bevölkerung Luxemburgs besonders relevant sein.

Die positiven Auswirkungen religiöser, genetischer, geburtsortsspezifischer und anderer Formen der Vielfalt deuten darauf hin, dass Luxemburg wirtschaftliche Vorteile aus seiner vielfältigen Bevölkerung ziehen könnte, da diese Formen der Vielfalt mit größerer Innovation und einem breiteren Spektrum an Fähigkeiten unter den Arbeitnehmern verbunden sind.”

“Nehmen wir ein Technologieunternehmen in Luxemburg, das Mitarbeiter mit unterschiedlichem Hintergrund beschäftigt. Diese Vielfalt kann zu innovativen Ideen und Produkten führen, die einen breiteren Markt ansprechen und so das Wachstum des Unternehmens und damit auch die Wirtschaft ankurbeln.” Umgekehrt könne eine sehr homogene Gemeinschaft einzigartige Einblicke und Geschäftsmöglichkeiten verpassen, was den wirtschaftlichen Fortschritt bremsen könnte, fügt Sintos seiner Erklärung hinzu.

Kein Automatismus

Die Befunde gelten aber nicht automatisch. Es ist eine aktive Anstrengung notwendig, damit die Vielfalt ihre positiven Effekte entfalten kann. “Umgekehrt kann die Vielfalt dem Wirtschaftswachstum schaden, wenn sie nicht gut gehandhabt wird, z. B. wenn sie zu Missverständnissen oder Konflikten führt, die die Zusammenarbeit und wirtschaftliche Initiativen behindern könnten.” Studien, die solche Konflikte einrechnen, fallen in der Regel moderater aus, als solche, die es nicht tun.

Aber zeigt diese neue Meta-Studie nur auf, was wir eh schon alle wussten? Es ist doch längst eine Binsenweisheit, dass Vielfalt die Wirtschaft befeuert. “Während die breite Öffentlichkeit und die Medien häufig die Vorteile der Vielfalt hervorheben, sind die wissenschaftlichen Ergebnisse uneinheitlich“, stellt Sintos klar. “Einige Studien stellen positive Auswirkungen fest, andere negative oder unbedeutende.”

“Diese Diskrepanz unterstreicht die Komplexität der Auswirkungen von Vielfalt auf das Wirtschaftswachstum”, so Sintos. Darüber hinaus sieht er Anzeichen dafür, dass in Fachzeitschriften eine Neigung besteht, bei diesem Thema , negative oder sensationelle Resultate zu veröffentlichen. Das bedeute nicht, dass diese Resultate falsch seien, aber dass sie öfter publiziert würden. Seine eigene Meta-Studie ist ein Schritt dahin, Klarheit zu schaffen.

Politische Entscheider haben damit eine weitere Studie die aufzeigt, welche Vorteile Diversität mit sich bringt. “Eine Grundlage für politische Maßnahmen, die darauf abzielen, das Potenzial der Vielfalt zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung zu nutzen.”

 

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