@ CaptainHook:
Selbständig anlegen bedeutet ja nicht (zumindest für mich nicht), dass man aus dem Bauch heraus irgendeine Anlageentscheidung trifft (sagen wir einen Aktienfondsparplan), ein paar Knöpfe drückt, um das vertraglich abzuschliessen, sich danach dann die nächsten 30 Jahre nicht mehr drum kümmert und hofft, dann im Alter eine ordentliche Rendite zu erhalten. Auf dieser Grundlage würde ich deinen Ausführungen zustimmen, dass man nicht mit einer ausreichend hohen Wahrscheinlichkeit die langfristigen Entwicklungen von diversen Anlagen vorhersehen kann.
Eigenständiges Anlegen bedeutet für mich allerdings etwas anderes: Zunächst einmal erfordert dies eine starke zeitliche Beschäftigung mit dem aktuellen Anlageumfeld und der Frage, wo sich geeignete Investitionsmöglichkeiten bieten. Vor allem aber ist es von ganz entscheidender und unabdingbarer Bedeutung, dass man KONTINUIERLICH die Rahmenbedingungen seiner Anlagen überprüft und sich immer wieder die Frage stellt, würde ich heute wieder darin investieren und gegebenenfalls eben die entsprechenden Konsequenzen zieht (verkaufen, nachkaufen, halten).
Es ist ja objektiv unbestritten, dass eine Vielzahl von professionellen Investoren, die den ganzen Tag nix anderes machen als irgendwelche Indikatoren zu studieren, über Jahrzehnte hinweg ordentliche Renditen erwirtschaftet haben. Diese haben sie aber in den seltensten Fällen durch eine buy-and-hold-Strategie ala Kostolany erzielt, sondern durch vielfaches Umschichten, indem sie eben auf sich ändernde Marktentwicklungen aktiv reagieren. Soros hat ja z.B. nicht 30 Jahre lang auf einen fallenden GB-Pfund-Kurs gewettet, sondern die Marktlage derart gut studiert, dass er den richtigen Zeitpunkt für seine Short-Attacken erwischte, wo es eben zu einem starken kurzfristigen Kursverfall kam.
Ein anderes Bsp.: Eine Immobilieninvestion in London vor 10 oder 20 Jahren wäre sicher sinnvoll gewesen. Die Preise waren stark gestiegen, dann kam auf einmal der unerwartete Brexit-Entscheid, der zu einem Absturz der Londoner Immobilienpreise führte. Dennoch war es möglich, kurz nach dem Entscheid mit einem verglichen mit dem starken Anstieg davor vergleichsweise kleinen Abschlag von - sagen wir - 10% zu verkaufen (mittlerweile sind die Preise mehr als 20% gefallen.). Unter dem Strich hätte man jedenfalls dennoch hohe Gewinne eingefahren.
Oder dein Bsp. mit den jap. Aktien: Anfang der 80er-Jahre war alles "big in Japan" und viele sahen Japan die USA als vorherrschende Weltmacht ablösen. Insofern hätte ich es vermutlich auch nicht für falsch empfunden, Mitte der 80er Jahre in jap. Aktien zu investieren. Aber man hätte natürlich die realwirtschaftliche Entwicklung weiter verfolgen müssen: Der ganze Boom war ja im Wesentlichen auf Kredit aufgebaut und das ist dann mehr oder weniger zusammengebrochen. Als also ein Platzen der Kreditblase erkennbar war, hätte man reagieren müssen und - womöglich auch mit einem geringen Verlust - dann seine Anlagen in Japan verkaufen müssen.
In keinem deiner genannten Bsp. hätte ich die Lage in 30 Jahren vorhersehen können. Allerdings hätte ich bei den jap. Aktien und auch bei der Immobilie bei Trier eine Einschätzung für die kurz- mittelfristige Entwicklung gehabt (die sich eben auch im Laufe der Zeit ändern kann !), die sich im Wesentlichen aus den aktuellen Rahmendaten zusammensetzt und davon ausgeht, dass der realwirtschaftliche Trend sich kurzfristig fortsetzt. Denn meist ändern sich diese Rahmendaten ja auch nicht sehr schnell signifikant (der Brexit war da eine Ausnahme), aber wenn sie sich eben ändern in eine für einen selbst negative Richtung, muss man eben entsprechend aktiv handeln, sprich verkaufen. Im Prinzip muss man sich kontinuierlich die Frage stellen: gibt es andere Anlagen, bei denen ich mehr Rendite (nach Abzug der Transaktionskosten und Steuern etc.) bei gleichem Risiko bekomme, falls ja, muss man umschichten, falls nein, sollte man weiterhin an seinem Investment festhalten. Natürlich bietet diese Methodik keine Garantie für ansehnliche Gewinne, aber zumindest sollte dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, ordentliche Erträge zu erwirtschaften. Diese wird meiner Erfahrung nach tendenziell noch grösser, je intensiver man sich mit der Materie auseinander setzt.
Es ist ein wenig so wie beim Pokern (ich pokere nicht). Ob ein starker Spieler eine einzige Hand gegen einen schwachen Spieler gewinnen wird, ist völlig offen und nicht vorhersehbar. Wenn die allerdings 1000 Hände gegeneinander spielen, wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der prinzipiell bessere Spieler durchsetzen.
Der springende Punkt dabei ist: Kurzfristige Entwicklungen kann man zwar auch nicht hundertprozentig vorhersehen, allerdings ist es schon möglich, durch intensive DAUERHAFTE Beschäftigung mit der Materie die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten gewünschter Entwicklungen zu erhöhen.
Und genau darin liegt ja die Krux bei der staatlichen Rente: Man ist auf Gedeih und Verderb dem langfristigen Wohl des lux. Staates ausgeliefert und man MUSS etwaige schlechte Rahmenbedingungen bis zum bitteren Ende aussitzen. Bei der eigenständigen Vorsorge KANN man durch diverse Investmentvehikel zwar auch auf die Wirtschaftskraft Luxemburgs setzen, aber man KANN - und das ist der riesen Vorteil - die im Falle sich ändernder Rahmenbedingungen auch schnell wieder verkaufen.
Mal konkret zu den kurz- mittelfristigen Einschätzungen diverser Anlagen:
a) Zinsniveau:
das ist derzeit von der Tendenz ziemlich einfach: das kurze Ende wird nahe 0 bleiben, zumindest solange noch Anleihekäufe der Notenbank erfolgen und noch keine Zinsanhebungen seitens der EZB in Aussicht gestellt werden. Das lange Ende wird weiter steigen, weil sich allmählich die Ueberzeugung breit macht, die Anleihekäufe seitens der Notenbank auslaufen zu lassen. Wann, in welchem Ausmass etc. ist natürlich wieder eine ganz andere Frage.
b) Immobilien:
Für die Immobilienwertentwicklung ist das Grundprinzip sehr einfach: Liegt das Angebot über der Nachfrage, fällt der Preis und vice versa. D.h. man muss also, um die tendenzielle Preisentwicklung eines konkreten Objektes prognostizieren zu können, der Frage nachgehn, wieviel Nachfrage nach Wohnraum gibt es /wird es geben in der Region dieser Immobilie (also sprich wie hat sich die Bevölkerung in diesem Gebiet entwickelt bzw. wie wird sie sich entwickeln ? Und dann muss man sich um die Frage kümmern, wie die Angebotssituation aussieht (z.B. stehen aktuell viele Immobilien in der Umgebung leer und werden zum Verkauf/Vermietung angeboten ?, wieviele neue Baugenmehmigungen wurden erteilt ? etc.). Und es kommen natürlich noch ganz viele preisbeeinflussende Faktoren hinzu, wie z.B. die Entwicklung des Zinsniveaus (bei niedrigem Zinsniveau lohnen sich kreditfinanzierte Käufe eher als Miete, was wiederrum zu einem Nachfrageanstieg führt; deswegen sind ja zuletzt auch die Kaufpreise deutlich stärkler als die Mietpreise gestiegen) oder die Frage, wann die Zugewinnssteuer bei Immobilienverkäufen von derzeit 10% wieder auf 20% erhöht wird; das sollte vorher nochmal zu einem kleinen Angebotsanstieg bzw. danach dann zu einem Angebotsloch führen etc.
So eine Liste mit preisrelevanten Einflüssen ist sicher mehrere Seiten lang; ich kenne da auch nicht zu jeder einzelnen Detailfrage eine Antwort, allerdings sollte es dennoch möglich sein, zumindest die Grobtendenz auf Basis intensiver Recherche einigermassen einzuschätzen. Mir ist schon klar, dass nicht jeder das nötige Grundwissen dazu hat und auch nicht die zweifelslos erforderliche Zeit dazu hat. Und das war jetzt erst die Theorie im Hinterzimmer, die praktische Umsetzung erfordert meiner Erfahrung nach noch deutlich mehr Zeit. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass seriöse Immobilieninvestments eher einem unternehmerischen Handeln gleichen als einer herkömmlichen Finanzanlage mit Aktienfondssparplänen o.ä. Ungelogen und nicht übertrieben könnte ich mehrteilige z.T. recht unterhaltsame Buchbände damit füllen, was ich allein im Immobilienbereich so alles erlebt hatte. Und dennoch hat sich dieser riesen Aufwand (der zumindest in der Anfangsphase schon im Bereich eines Halbtagsjob liegt) für mich mehr als nur rentiert.
Immobilie bei Trier hört sich für mich wie nach einem Dorf an. Da ist die Nachfrage und damit auch das Preissteigerungspotential allgemein nicht sehr hoch und ich sehe auch keinen Grund, warum sich das in naher Zukunft ändern sollte. Ich bin überzeugt, dass Trends wie Verstädterung weiter anhalten. Es gibt einfach zu wenig Jobs, die per Home-Office vom Land aus erledigt werden könnten, das ist und bleibt halt im Wesentlichen vorerst ein politisches Gerede.
Es gilt bei Immobilien weiterhin der Grundsatz, dass 3 Dinge wichtigsten sind: 1. Lage, 2. Lage, 3.Lage. Daran wird sich wohl auch in Zukunft nix ändern.
Dass luxemburger Immobilien überteuert sind oder überteuert gewesen sein sollten, kann ich nicht nachvollziehen. Wenn man mal die Preise mit Paris, Rom oder London, ganz zu schweigen von Tokio, New York oder Monaco, vergleicht, dann kann man für L noch einiges an Nachholbedarf ausmachen. Die luxemburger Immobilienpreise mit denen in Deutschland zu vergleichen, macht weniger Sinn, da ja eine völlig andere Eigentümerstruktur vorherrscht, denn in L wohnt nur ca. jeder 4.-5. zur Miete (was so dem europäischen Standard entspricht), in D hingegen jeder ca. 2. Also sind tendenziell in D im europäischen Vergleich die Mietpreise hoch und die Kaufpreise niedrig.
So könnte man jetzt mit jeder einzelnen Anlageform die Liste fortsetzen. Ueber Wertpapiere wie Aktien, Anleihen, Zertifikate etc. gibt es Literatur wie Sand am Meer. Ich kenne jmd, der sehr stark in moderne Kunst investiert. Allerdings ist dieser Mensch eben ein grosser Kenner der Kunstszene, kennt die meisten interessanten Künstler persönlich, fehlt kaum auf einer namhaften Messe. etc. Dies ist natürlich eine wesentliche Voraussetzung, in dem Bereich ordentliche Anlageentscheidungen zu treffen.
Fazit:
Eine Sicherheit hat man weder bei der staatlichen Rente, noch bei seinen eigenständigen Anlagen. Aber: Man kann beim eigenständigen Anlegen auf Sicht fahren und durch ständiges Ueberprüfen der Rahmendaten schon die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Investments zufriedenstellend laufen, was eben bei der staatlichen Rente nicht geht.
Nochmal kurz zur staatlichen lux. Rente:
Es ist gar nicht mal so sehr die Institution Staat, die mich bei der Sache stört, sondern die Konstruktion als solches: Ich hätte z.B. keine prinzipiellen Bedenken, in kapitalgedeckte staatliche Rentensysteme (wie sie z.B. vor allem in Schweden vorherrschen) zu investieren, nur ist halt das lux. Rentensystem alles andere als das. Ich habe es ja schon in diversen Threads ausführlich beschrieben: Das luxemburger Rentensystem ist der Sache nach ein Schneeballsystem. Und diese Systeme sind ja bekanntlich staatlich verboten ...