Deutsche Grenzgänger erhoffen sich eine Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens.

Für Grenzgänger aus Frankreich ist es bereits fix: sie können – wie Pendler aus Belgien auch – ab 2023 Jahr 34 Tage im Home-Office verbringen, ohne sich steuerlich weiter darum kümmern zu müssen.

Für deutsche Luxemburg-Pendler ist die Sache noch immer in der Schwebe: Dass die bisherige Freigrenze von 19 Tagen erweitert werden soll, darin sind sich die Länder wohl einig, ab wann und auf wie viele Tage, ist noch offen. “Im Oktober finden weitere Gespräche statt, die dann möglicherweise zu einem konkreten Ergebnis führen”, hieß es vor wenigen Wochen auf Anfrage aus dem luxemburgischen Finanzministerium: “Eine hohe, einheitliche Obergrenze ist aus Sicht der Grenzgänger sicherlich wünschenswert.”

Einheitliche Obergrenze?

Eine einheitliche Obergrenze, also auch mit Deutschland auf 34 Tage zu kommen, schätzte Finanzministerin Yuriko Backes allerdings bereits als nicht sonderlich realistisch ein, mit Verweis auf die Haltung Deutschlands. Letzteres hat bisher eine Anhebung auf maximal 24 Tage, also einen Steuerverzicht bei weiteren fünf Tagen als finanziell «tragbar» in Aussicht gestellt.

Das Problem dort dürfte unter anderem darin begraben liegen, dass Luxemburg das einzige Nachbarland Deutschlands ist, mit dem nach deren bilateralen Abkommen das Besteuerungsrecht im Tätigkeitsstaat liegt, während gleichzeitig der Pendlerstrom fast ausschließlich ins Großherzogtum führt – Deutschland vom Steuerkuchen also kaum etwas abbekommt. Bei einer Anhebung der Freigrenze, unter der sich das Besteuerungsrecht für Homeoffice-Tage nicht in den Ansässigkeitsstaat verschiebt, entstehen aus deutscher Sicht weitere Nachteile.

Knackpunkt Ausgleichzahlung?

Dass “Betroffene die 19-Tage-Grenze als gering einschätzen”, so die saarländische Landesregierung, ist man sich auf deutscher Seite durchaus bewusst. Die Freigrenze sei jedoch bereits eine “bürgerfreundliche Auslegung” des Doppelbesteuerungsabkommens. Beide deutschen Grenzbundesländer (Saarland und Rheinland-Pfalz) geben auf Nachfrage an, dennoch grundsätzlich offen für mehr Tage zu sein, plädieren dann allerdings für einen finanziellen Ausgleich.

Da mehr Personen regelmäßig nach Luxemburg pendelten als umgekehrt, schätze man die Auswirkungen für die Gemeinden als negativ ein, “sofern es nicht zu einer Kompensation kommt”, heißt es aus dem rheinland-pfälzischen Finanzministerium. Würde man auf eigentlich eintretende Besteuerungsrechte verzichten, “wird im Gegenzug ein Fiskalausgleich von luxemburgischer Seite erforderlich“, lässt die Staatskanzlei des Saarlandes wissen. In welcher Höhe sich Saarland und Rheinland-Pfalz einen Finanzausgleich vorstellen und für wie viele Tage, dazu machten die Länder keine Angaben.

Belgien erhält bereits Finanzausgleich

An Belgien zahlt Luxemburg bereits seit 2002 einen jährlichen Finanzausgleich. Mit knapp über 50.000 Grenzgängern pendelten nach Zahlen des luxemburgischen Statistikinstituts Statec im vergangenen Jahr vergleichbar viele Arbeitnehmer nach Luxemburg wie aus Deutschland. Ab 2015 betrug die Ausgleichszahlung von Luxemburg an den Nachbarstaat Belgien 30 Millionen Euro, seit 2019 sind es jährlich 91 Millionen Euro, von denen laut einem Dokument des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages 55 belgische Gemeinden profitieren.

Als Grundlage für dieses Alleinstellungsmerkmal zwischen Belgien und Luxemburg nannte das Großherzogtum bisher die Wirtschaftsunion ‘Union Economique Belgo-Luxembourgeoise’. Die Zahlung soll beispielsweise Steuerverluste durch Tabakkauf und Tanktourismus in Luxemburg ausgleichen.

Verhandlungen laufen noch

Analogen Anfragen anderer Großregion-Nachbarn erteilte das Großherzogtum auf die Wirtschaftsunion verweisend in der Vergangenheit eine Absage oder schwieg dazu. Bleibt das Großherzogtum bei dieser Haltung, dann scheitert die einheitliche Obergrenze wohl nicht nur an einer Seite. Mitte Oktober beim Luxemburger Finanzministerium nachgefragt, gibt es zu einer möglichen Ausgleichszahlung kein Statement. Zum Status Quo heißt es: “Beide Seiten stehen weiter in Verhandlungen.”

Ob sich die Länder über 24 Tage oder mehr, mit oder ohne Ausgleich einig werden: das deutsche Finanzministerium weist darauf hin, dass “die geltenden Regelungen die Beschäftigten nicht daran hindern, ihre Tätigkeit im Home-Office auszuüben” – was stimmt, sofern der luxemburgische Arbeitgeber die geltende Grenze nicht als Grundlage für seine betriebsinterne Home-Office-Regelung nimmt, um seine Abrechnungsabläufe nicht zu verkomplizieren – oder Grenzpendler sich die spiegelbildliche Steuererklärung in beiden Ländern schlicht nicht zutrauen, da diese bei bestimmten Konstellationen und Lebenssituationen durchaus ihre Tücken haben kann.

Bei den neun anderen Abkommen zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern liegt die Besteuerung mit bestimmten Grenzgängerregelungen im Wohnsitzstaat oder wird grundsätzlich aufgeteilt, wenn eine Person in beiden Staaten tätig ist.

Was verdient Deutschland an seinen Pendlern?

Ende 2021 zählte das Statistikinstitut Statec etwas weniger als 50.000 deutsche Luxemburg-Pendler. Wie viele Steuern diese bei der bisherigen Regelung in ihrem Wohnsitzland pro Jahr gebracht haben, ist nach Angaben des Bundesfinanzministeriums nicht ermittelbar, da keine Unterscheidung stattfindet: sobald ein Arbeitnehmer die 19-Tage-Grenze überschritten habe, werde er in Deutschland einkommenspflichtig, “und wie ein in Deutschland tätiger Arbeitnehmer mit inländischem Wohnsitz behandelt.” Es würden hierzu “keine besonderen maschinellen Aufzeichnungen beziehungsweise Statistiken geführt”, weshalb diese Daten nicht auswertbar oder schätzbar seien, erklärt auch das saarländische Finanzministerium.

Wie wird ein Finanzausgleich bemessen?

Die Finanzbehörden beider Länder müssten sich auf eine geeignete methodische Festlegung verständigen, erklärt das Finanzministerium des Saarlandes. “Maßgeblich könnten dabei insbesondere sein: die Fallzahlen, die durchschnittliche Höhe der nicht mehr in Deutschland steuerlich erfassten Einkommen sowie der durchschnittliche Steuersatz hierauf”. In anderen Fällen, wie beim Rentenfiskalausgleich zwischen Deutschland und Frankreich, habe man zur Ermittlung der relevanten Größen “geeinte statistisch-mathematische Verfahren” eingesetzt.

Warum die Freigrenze?

Fern von Home-Office war “die Toleranzschwelle ursprünglich in das Steuerabkommen zwischen Luxemburg und Deutschland aufgenommen worden, um es Grenzgängern zu ermöglichen, einige Tage im Jahr eine Dienstreise oder Ausbildung in ihrem Wohnsitzland oder einem Drittstaat wahrzunehmen, ohne dass das Besteuerungsrecht vom Anstellungsland zum Wohnsitzland übergeht”, erklärt hierzu das luxemburgische Finanzministerium.