Gesetzesentwurf über „aggressives Betteln“ in der Kritik
Veröffentlicht
von
Yves Greis
am 19/03/2025 um 12:03

Das luxemburgische Strafgesetzbuch entstand im Jahr 1810. Das ist lange her und vieles hat sich seitdem verändert. Betteln und Vagabundieren wurden damals als Verhaltensweisen gesehen, welche die moralischen Werte infrage stellen. Ein solches “verwerfliches” Verhalten konnte aus damaliger Sicht nicht geduldet werden.
Diese Idee wird schon seit geraumer Zeit infrage gestellt. Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg ist man zu dem Schluss gekommen, dass die Tatsache, dass eine Person nicht sesshaft ist, nicht bestraft werden sollte. In einem Gesetzesentwurf von 1987 schrieb der damalige Justizminister: “In einer pluralistischen Gesellschaft, die auf dem Respekt vor anderen Menschen beruht, müssen alle Lebensweisen akzeptiert werden können, auch wenn sie nicht dem Ideal entsprechen, das von den Klassen propagiert wird, die sich als führend bezeichnen.” Besonders auch, so die Meinung damals, weil viele Menschen, die ein solches Leben führen, es sich nicht freiwillig ausgesucht haben. Über den damaligen Gesetzesentwurf wurde übrigens nie im Parlament abgestimmt.
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Aktuell plant das Parlament mit einer Gesetzesreform, die Strafbarkeit aller Formen des Bettelns, die derzeit im Strafgesetzbuch enthalten sind, abzuschaffen. Allerdings: Es soll ein neuer Tatbestand geschaffen werden. Die “aggressive Bettelei“. Und genau hieran stört sich die konsultative Menschenrechtskommission in einem Gutachten zum Gesetzesentwurf, den sie am Freitag , dem 14. März 2025, vorgelegt hat.
Vage Definition
Zum einen sei die Definition, die das Gesetz für “aggressives Betteln” gibt, sehr vage. Dort werden einige Umstände aufgezählt, die als aggressives Betteln gelten sollen. Dies ist der Fall, wenn Bettler einer Person den Weg blockieren oder erschweren, ihn verfolgen oder ihn anfassen oder festhalten mit dem Ziel, eine Spende zu erhalten. Auch das Anschreien einer Person oder das Aufhalten einer Tür eines Wohnhauses mit diesem Ziel soll als aggressives Betteln gelten.
Dies sei aber alles zu ungenau und unvollständig und lasse viel Interpretationsspielraum, moniert die Menschenrechtskommission. Die Kommission glaubt, dass diese Ungenauigkeit, in Kombination mit subjektiver Wahrnehmung und vielleicht vorhandenen Vorurteilen, zu ungerechten Urteilen führen kann. Sie fordert deshalb eine viel genauere Beschreibung und sogar eine Liste mit Verhaltensweisen, die als “aggressives Betteln” gelten.
Ferner fragen die Ethikexperten, ob eine solche Regelung denn überhaupt notwendig ist. Immerhin gibt es schon Gesetze, die Aggressionen gegen Mitbürger unter Strafe stellen. Dies könnte Stereotype verstärken, glaubt die Kommission – insbesondere gegen Menschen in prekären Situationen. Die Kommission glaubt außerdem, einen Anstieg an repressiver Politik der Regierung festzustellen und sorgt sich um die Rechte von Menschen in einer schwierigen Lebenssituation.
Die Kommission sieht auch Probleme bei der Verhältnismäßigkeit der Strafen. “Das neue Delikt sieht eine Haftstrafe von 15 Tagen bis zu zwei Jahren und eine Geldstrafe von 251 Euro bis zu 3.000 Euro vor. Diese Strenge scheint jedoch in Bezug auf die Art der Straftat unverhältnismäßig zu sein.” Vornehmlich fragt sich die Menschenrechtskommission, wie ein Bettler die Summe von 3.000 Euro aufbringen soll.
Die Kommission sieht ferner einen Zusammenhang mit dem Menschenhandel. Es müsse weiter das Prinzip gelten, dass Opfer von Menschenhandel nicht bestraft werden dürfen. Das neue Gesetz, wenn es in Kraft tritt, könnte die Opfer von kriminellen Netzwerken – die zum Betteln gezwungen werden – davon abhalten, sich bei den Autoritäten zu melden. Dies würde Luxemburgs Pflicht, Menschenhandel vorzubeugen, entgegenlaufen.
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Über den Gesetzesentwurf wurde noch nicht abgestimmt. Er befindet sich seit Juli 2024 auf dem Instanzenweg. Viele Gutachten, darunter das wichtige Gutachten des Staatsrates, sind bereits vorhanden.
Zur Erinnerung: In Luxemburg-Stadt trat am 15. Dezember 2023 eine neue Polizeiordnung in Kraft, die das Betteln zu gewissen Uhrzeiten und an gewissen Orten verbot. Diese neue Regel wurde national diskutiert und wurde sogar von der Presse im Ausland wahrgenommen. Während viele die Regel befürworteten, wurde sie auch stark kritisiert. Tatsächlich wurden binnen einem Jahr (also bis zum 15. Dezember 2024) nur elf Verstöße geahndet.
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