Während der COVID-Pandemie haben Unternehmen auf der ganzen Welt kräftig in ihre Technik investiert. Plötzlich waren Dinge möglich, die kurz zuvor unmöglich erschienen. Da die Mitarbeiter nicht ins Büro kommen durften, wurde Home-Office ermöglicht. Zoom-Konferenzen wurden abgehalten. VPNs wurden installiert. Die Unternehmen traten in ein neues Zeitalter 4.0 ein. So zumindest das gängige Narrativ.

Das ist nicht richtig, behauptet jetzt eine Gruppe von Forschern aus Luxemburg, Deutschland und Schweden. “Ganz viele Medien haben damals geschrieben, dass die Unternehmen gerade die Digitalisierung ausprobieren und es dadurch einen Digitalisierungs-Push gibt”, sagt Terry Gregory vom Luxemburger Institut für Sozio-ökonomische Forschung (LISER), einer der Autoren der Studie. Es wurde ein regelrechter “Produktivitätsschub” in Aussicht gestellt.

“Ein paar Jahre später gibt es Artikel, die sich damit beschäftigen, wo der Innovations-Boom bleibt. Teilweise in den gleichen Zeitungen.” Das Forscher-Team um Terry Gregory hat eine Befragung von rund 3.000 Unternehmen in Deutschland herangezogen. Dabei stellte sich heraus, dass Investitionen in Dinge wie “Künstliche Intelligenz” oder “Big Data” eher auf Sparflamme gestellt wurden. Dies wird in Luxemburg und im restlichen Europa ähnlich gewesen sein, vermutet der Forscher.

Kurzfristige Antworten

Die Unternehmen haben in Wirklichkeit Investitionen, die sie langfristig stärken würden, zurückgestellt, um kurzfristige Antworten auf die Krise zu finden. “Sie haben ihre Investitionen in andere kleinere Bereiche verschoben.” Darunter fallen besonders Investitionen in die Home-Office-Ausstattung (u.a. VPN- und Zoom-Lizenzen). “Die Unternehmen haben zwar investiert, aber nicht in Dinge, die zum Kern gehören”, so Terry Gregory. “Vor der Krise haben die Unternehmen z.B. in Datenzentren und künstliche Intelligenz investiert.” Die pandemiebedingte Investitionslücke beziffern die Forschenden auf rund 50 Prozent.

Der Forscher behauptet nicht, dass die Investitionen ins Home-Office nicht gemacht werden sollten: “Diese Investitionen waren wichtig, um den Betrieb am Leben zu erhalten in der COVID-Krise, in einer Zeit, in der man nicht mehr im Büro arbeiten durfte.” Dadurch wurde z.B. auch weniger Kurzarbeit in Anspruch genommen.

Die Beobachtungen betreffen Wirtschaftssektoren “quer durch die Bank“, erklärt der Forscher. Auch Branchen, die normalerweise nicht mit Hightech in Verbindung gebracht werden, könnten heute Hightech nutzen (zum Beispiel KI-gesteuerte Drohnen in der Baubranche).

Warum haben sich die USA denn eigentlich schneller erholt als die EU? Dabei spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Aber: Die Vereinigten Staaten haben auch vor der Krise schon stärker in Technologie investiert als zum Beispiel Deutschland. Es könnte also sein, dass die COVID-Krise die Unterschiede nur noch einmal verstärkt hat, spekuliert der Forscher. “Wir beobachten, dass wir in Europa mit den Investitionen hinterherhinken. Sowohl was die Investitionen in Infrastruktur betrifft, die für KI-Anwendungen benötigt wird, als auch was die Schaffung von Technologiestart-ups betrifft”, so Terry Gregory.

 

Die Studie zeigt, wie sich Krisen negativ auf die Investitionen in die digitale Transformation (und damit die Produktivität) auswirken können. Das muss nicht eine Pandemie sein, stellt der Forscher klar. “Die nächste Krise kann durch etwas anderes ausgelöst werden”, sagt er und wirft einen besorgten Blick Richtung Ukraine. Man müsse darüber nachdenken, wie Unternehmen dazu gebracht werden können, Investitionen in Technologie während einer solchen Krise nicht einbrechen zu lassen.

In einem begleitenden “Policy Briefing” legen die Forschenden den politischen Entscheidungsträgern ans Herz, Unternehmen in Krisenzeiten zu unterstützen an “Technologie-intensiven Investitionen festzuhalten”. Förderinstrumente könnten gezielt antizyklisch ausgerichtet sein. Besonders KMU müssten besonders gefördert werden, da sie sonst Gefahr laufen abgehängt zu werden.

 

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