Gleich hinter den drei Türmen des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg-Stadt liegt seit letztem Jahr ein kleiner Garten, in dem die Mitarbeiter aus den umliegenden Büros und die Bewohner ein wenig Natur tanken können. Die kleine Anlage bildet einen Kontrast zum Verkehr und den Baustellen umliegenden. Es handelt sich um den “Jardin du multilinguisme” (Garten der Mehrsprachigkeit) des französischen Landschaftsgärtnerbüros Michel Desvigne, der auch schon den Park der “Dräi Eechelen” entworfen hat.

Nein, die Baustellen um den Garten herum machen ihm nichts aus, sagt Michel Desvigne im Gespräch. “Der Kirchberg ist ein großes Viertel, das sich seit einer langen Zeit im Wandel befindet. Das ist normal. Die Entstehung eines solch großen Stadtteils dauert immer mindestens 30 Jahre – oft viel länger – und wir sind ein Teil davon.”

“Man muss sich eine Stadt wie einen lebenden Organismus vorstellen”, fügt er hinzu. Eine Stadt verwandelt sich permanent. Wenn es in einer Stadt keine Baustellen gibt, ist das kein gutes Zeichen.

Bei einem Spaziergang durch den Park (der Bauträger ist übrigens der Fonds Kirchberg) entdeckt man, sich schlängelnde Wege, Hecken und Sträucher die in Reihen gepflanzt sind, Tische und Stühle an die man sich setzen kann, unterschiedliche Kunstwerke und Tafeln, auf denen Ausdrücke in den unterschiedlichen Sprachen (ja, auch Luxemburgisch) zu sehen sind. Im Boden sind metallene Schriftzeichen unterschiedlicher europäischer Schriftsysteme eingelassen.

Der Landwirtschaft nachempfunden

Die Wege sind Feldwegen nachempfunden, die sich durch die Landschaften schlängeln. Trotz abschüssigem Feld durfte dabei allerdings nie der Zugang für Menschen mit eingeschränkter Mobilität infrage gestellt sein. Die Pflanzen, die in Reihen stehen, sollen an die Landwirtschaftsflächen erinnern, die man in Luxemburg findet. An Weinbergen zum Beispiel, in denen die Reben in Reih und Glied stehen. Die Unterteilungen erinnern an den Flickenteppich von Wiesen und Feldern in Luxemburg auf dem Land.

Besonders gut wird das sichtbar, wenn man von oben auf den Garten hinunterschaut. Diese Perspektive wurde bei der Planung immer mit einbezogen, weil der Garten gleich neben den drei Hochhäusern des Gerichtshofes liegt. Der neueste der drei Türme ist immerhin das höchste Gebäude Luxemburgs. Gleichzeitig, erinnern die Reihen von Büschen und anderen Pflanzen, aber auch an die Kulissen im Theater, die eine gewisse Perspektive vermitteln, verrät Michel Desvigne seine künstlerische Vision.

Eine weitere Besonderheit des Gartens ist seine temporäre Natur. Bei der Fläche handelt es sich um Bauland, das die Bauherren nicht ungenutzt lassen wollten. Früher oder später könnte der Garten aber einem Gebäude weichen. Auch hierauf haben sich die Landschaftsgärtner eingestellt. Es wurden nur sehr wenige Bäume gepflanzt und dabei handelt es sich um Bäume, die schnell wachsen und nicht zu groß werden (und die problemlos entfernt werden dürfen). “Wir haben natürlich keine Sequoias gepflanzt”, scherzt Michel Desvigne. Es sollten schnell Resultate sichtbar sein.

“In Städten, die sich im Wandel befinden, kommt es oft vor, dass wir Projekte umsetzen, die eine zukünftige Nutzung vorwegnehmen, aber für die Dauer von Baustellen und Umbauten Bestand haben. Das ist ein Umgang mit dem öffentlichen Raum und der Zeit.”

Tatsächlich hatte der Garten aufgrund der sich abwechselnden Feuchtigkeit und Trockenheit in den letzten Jahren Startschwierigkeiten, mittlerweile gedeiht, aber alles, erzählt Tommaso Paino, der das Projekt übersieht und erst kürzlich in Luxemburg war, um nach dem Rechten zu sehen.

Kunst im öffentlichen Raum

Aber es zieren nicht nur Pflanzen den Garten. Zu dem Garten gehören auch Kunstwerke, die vom Europäischen Gerichtshof ausgesucht wurden. Inmitten davon ein Häuschen aus Metall. Zum einen dient es als Basis für einen Bildschirm, der die Entstehung des Gartens im Zeitraffer zeigt. Zum anderen imitiert es eine Kabine, wie sie Simultanübersetzer bei ihrer Arbeit benutzen – womit die Mehrsprachigkeit noch einmal unterstrichen wird. Dieses Häuschen und das Servicehäuschen am Eingang des Gartens stammen von “Papaya urbanistes et architectes paysagistes” aus Esch, dem lokalen Partner von Michel Desvigne Paysagiste.

 

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