Stéphanie Damgé: “Jeder kann sich selbstständig machen”
Veröffentlicht
von
Yves Greis
am 13/09/2024 um 17:09
Ist Luxemburg ein gutes Land, um ein Unternehmen zu gründen?
Stéphanie Damgé: “Luxemburg ist definitiv ein gutes Land, um ein Unternehmen zu gründen. In den letzten Jahren hat sich viel in dem Bereich getan und es wird viel daran gearbeitet. Eine Niederlassungsgenehmigung erhält man heute viel schneller als noch vor drei Jahren. Es wird auch aktiv daran gearbeitet, das digitale Angebot zu verbessern. Daneben gibt es eine Reihe von Finanzhilfen, wie die Beihilfe für Erstgründungen von Unternehmen. Die richtet sich an Mikro-Unternehmer und beträgt 6 mal 2000 Euro. Aber: Das Unternehmertum ist nicht jedermanns Sache. Man muss sich im Klaren sein, worauf man sich einlässt, vorausschauend planen und gut vernetzt sein. Man muss den Willen haben und am Ball bleiben.”
Ist es nicht vielleicht in Deutschland, Belgien oder Frankreich einfacher, ein Unternehmen zu gründen?
“Nein, das ist nicht der Fall. Das sehen wir sowohl in Statistiken, als auch im Gespräch mit Kollegen. Nicht in den Nachbarländern. In einigen Ländern wie Estland zum Beispiel bewegt sich das Unternehmertum auf einem anderen Niveau.”
Was macht Estland besser?
“Estland hat sich neu strukturiert. Dort kann man in sehr kurzer Zeit digital sein Unternehmen gründen. Man kann Estland und Luxemburg aber nicht vergleichen. Die Kultur, die Geschichte und der Kontext unterscheiden sich voneinander. Man kann sich aber von Estland inspirieren lassen – und das machen wir auch.”
Was sind das für Menschen, die sich für das Unternehmertum eignen?
“Es gibt kein Standardprofil. Wir haben ein sehr vielfältiges Publikum. Es können junge Menschen und weniger junge Menschen sein. Luxemburger und immer mehr Immigranten. Es gibt eine Tendenz, als Teilzeit-Unternehmer zu beginnen. Sie haben eine Festanstellung und starten ihr Unternehmen nebenher. Zum einen gibt dies natürlich eine gewisse Sicherheit. Zum anderen lassen moderne Arbeitsverträge das besser zu.”
Etwa, wenn Arbeitnehmer weniger Stunden arbeiten und in der freigewordenen Zeit ein Unternehmen gründen?
“Viele Arbeitgeber unterstützen heute auch die Projekte ihrer Arbeitnehmer. Wer gute Arbeitskräfte hat, will sie auch motivieren. Die Mitarbeiter erwarten das heute auch mehr. Deshalb müssen die Arbeitgeber mitziehen. Vor einigen Jahren war das noch nicht der Fall.”
Unternehmensgründen klagen oft, dass sie mehr Arbeiten aber gleichzeitig weniger verdienen.
“Ja. Deshalb wollen wir die Leute sensibilisieren. Man muss viele Opfer bringen und es klappt nicht immer alles so wie man es sich vorgestellt hat. Man muss sehr viele Dinge beachten: die Finanzen, die Organisation, die Konkurrenz, den Markt. Mitarbeiter zu finden, ist auch nicht einfach. Ein Punkt, der immer wieder zur Sprache kommt, ist die Schwierigkeit, ein Büro oder ein Lokal zu finden – auch weil es ein hoher Kostenpunkt ist. Es kann ein paar Jahre dauern, bis das Ganze läuft. Deshalb sehen wir auch einige Leute, die nach 5 Jahren wieder aufhören (besonders die in der Zeit von Corona begonnen haben).”
Ist eine Insolvenz oder ein Unternehmen zu schließen noch immer ein Tabu-Thema?
“100 %. Das Scheitern ist in ganz Europa ein Tabu. In Amerika ist das ganz anders. Dort ist man erst ein Unternehmer, wenn man einmal gescheitert ist. Es ist viel mehr akzeptiert und ein Teil des Unternehmertums. Unserer Meinung nach sollte das hier genauso sein. Ein Scheitern bedeutet nicht, dass man nicht von vorne beginnen kann. Das Scheitern kann ja auch an externen Faktoren gelegen haben und nicht nur am Unternehmer. Es müsste mehr darüber gesprochen werden. Aber Luxemburg ist ein kleines Land. Jeder kennt jeden und jeder hat Angst, was die Nachbarn sagen. Es ist ja nun mal auch schwer, über sowas zu reden.”
Kann jeder sich selbstständig machen? Eine wohlhabende Person oder eine Person aus einem reichen Elternhaus hat es doch bestimmt einfacher als eine Person, die bei null anfängt.
“Da gibt es keine Regel. Jeder kann sich selbstständig machen. Deshalb gibt es ja auch immer mehr Finanzhilfen. Zu uns kommen sehr unterschiedliche Leute. Auch Frauen und Männer halten sich fast die Waage (45 % Frauen und 55 % Männer). Es kommen immer mehr junge Menschen und Menschen aus dem Ausland. Einige Unternehmer kommen von weither aus schwierigen Verhältnissen nach Luxemburg und sehen im Unternehmertum eine Chance für sich.”
Bei allen Erschwernissen, die mit dem Unternehmertum verbunden sind und die sie angesprochen haben: Warum sollte man denn überhaupt Unternehmer werden?
“Leidenschaft. Man arbeitet viel, kann sich aber selber organisieren. Das Unternehmen gehört einem selbst. Das gibt eine ganz andere Motivation. Man arbeitet für sich selbst und nicht für andere. Man hat viel Verantwortung, kann aber auch selbst die Richtung vorgeben.”
Bevor Sie Direktorin vom “House of Entrepreneurship” geworden sind, waren sie bereits Direktorin der “Jonk Entrepreneuren Luxembourg” (Junge Unternehmer Luxemburg). Haben diese Organisationen viel gemein?
“Natürlich geht es bei beidem um Entrepreneurship. Die “Jonk Entrepreneuren” arbeiten aber sehr viel mit Schulen zusammen. Es geht darum, die jungen Leute zu sensibilisieren. Beim House of Entrepreneurship geht es mehr darum, die Unternehmer und Unternehmen zu begleiten. Das reicht von der Idee, über die Gründung und Weiterentwicklung bis zur Übergabe und sogar zur Insolvenz.”
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